Vergehen und Verbrechen im Rettungsdienst und Notarztdienst
Im Rettungsdienst und in der Notfallmedizin stehst du oft unter enormem Druck, schnelle Entscheidungen zu treffen und Menschenleben zu retten. Dabei kann es leider auch passieren, dass – ob absichtlich oder unabsichtlich – rechtliche Grenzen überschritten werden. Ein unüberlegter Moment, eine impulsive Handlung, ein Fehler oder schlichtweg die bloße Anschuldigung können weitreichende Konsequenzen haben.
In diesem Artikel erfährst du, wo rechtlich der Unterschied zwischen einem Vergehen und einem Verbrechen liegt, welche Straftaten für Rettungskräfte relevant sind, und wie du dich schützen kannst – rechtlich, finanziell und beruflich.
Was ist der Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen?
Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 12 StGB) unterscheidet zwischen zwei Arten von Straftaten: Vergehen und Verbrechen.
- Vergehen sind Straftaten, die mit einer Mindeststrafe unter einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden. Sie gelten als weniger schwerwiegend, können aber dennoch erhebliche Konsequenzen für die Betroffenen haben.
- Verbrechen sind Straftaten, bei denen die Mindeststrafe mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt. Sie werden als besonders schwerwiegend eingestuft und ziehen entsprechend hohe Strafen sowie ein größeres öffentliches Interesse nach sich.
Den Gesetzestext findest du jederzeit aktuell im Internet.
Im Folgenden haben wir dir die gängigsten und wichtigsten Vergehen und Verbrechen aufgeführt und kurz erklärt, mit denen man im Rettungsdienst und Notarztdienst konfrontiert werden kann. Zusätzlich haben wir dir die entscheidenden Texte zu allen Straftaten verlinkt.
Vergehen im Rettungsdienst
- Erläuterung: Das unbefugte Betreten oder Verweilen in Räumen oder auf Grundstücken.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 1 Jahr Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Notärztin betritt eine Wohnung ohne Zustimmung der Bewohner, obwohl kein Notfall vorliegt. Dort wurde fälschlicherweise ein Patient gemeldet.
§132a StGB – Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen
- Erläuterung: Unbefugte Verwendung geschützter Titel oder Abzeichen.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 1 Jahr Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter gibt sich bei einem Einsatz gegenüber Angehörigen als Notarzt aus, um mehr Autorität auszustrahlen.
§142 StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Fahrerflucht)
- Erläuterung: Verlassen des Unfallorts, ohne die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 3 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Rettungswagenfahrerin verursacht einen Sachschaden an einem parkenden Auto und meldet den Vorfall nicht aus Angst, von ihrem Arbeitgeber Ärger zu bekommen.
§153 StGB – Falsche uneidliche Aussage
- Erläuterung: Falschaussage vor Gericht ohne Eid.
- Strafmaß: 3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter sagt in einer Zeugenaussage vor Gericht absichtlich falsch aus, um seinen Kollegen zu schützen. Dieser hatte einen Einsatzbericht manipuliert.
§174c StGB – Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses
- Erläuterung: Sexuelle Handlungen gegenüber Schutzbefohlenen im Rahmen eines Betreuungsverhältnisses.
- Strafmaß: 3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Rettungssanitäterin soll einen Patienten während des Transportes ins Krankenhaus geküsst haben, obwohl dieser bewusstlos war.
§182 StGB – Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
- Erläuterung: Sexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter bestimmten Umständen.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter beginnt eine private Beziehung mit einer 16-jährigen Patientin, die er mehrfach behandelt hat.
§184i StGB – Sexuelle Belästigung
- Erläuterung: Ungewollte sexuelle Handlungen oder Übergriffe.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 2 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter macht mehrfach anzügliche Bemerkungen gegenüber einer Kollegin und wird schließlich von ihr angezeigt.
- Erläuterung: Ehrverletzende Aussagen oder Gesten.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 2 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Notärztin beleidigt einen aggressiven Patienten verbal, um dessen Verhalten zu deeskalieren. Der Patient erstattet daraufhin Anzeige.
§201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
- Erläuterung: Verbot der unbefugten Aufnahme oder Verbreitung von Bildern.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 2 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter fotografiert eine Unfallstelle, an der auch Verletzte sichtbar sind, und teilt das Bild in einer WhatsApp-Gruppe.
§203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen
- Erläuterung: Weitergabe oder Offenlegung vertraulicher Informationen.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 1 Jahr Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Rettungssanitäterin spricht im Freundeskreis über die medizinische Diagnose eines allseits bekannten Patienten.
§216 StGB – Tötung auf Verlangen
- Erläuterung: Die vorsätzliche Tötung eines Menschen auf dessen ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen.
- Strafmaß: 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notarzt verabreicht einem todkranken Patienten absichtlich eine tödliche Medikamentendosis, weil der Patient ihn ausdrücklich darum bittet, sein Leiden zu beenden. Solche Handlungen sind strafbar, auch wenn sie aus Mitgefühl erfolgen.
- Erläuterung: Einen Menschen in eine hilflose Lage bringen oder in einer solchen belassen, wodurch Lebensgefahr oder schwere Gesundheitsschäden entstehen können.
- Strafmaß: 3 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter lässt einen stark alkoholisierten Patienten an einer abgelegenen Stelle zurück, weil der Patient sich geweigert hat, sich ins Krankenhaus fahren zu lassen.
§222 StGB – Fahrlässige Tötung
- Erläuterung: Verursachung des Todes eines Menschen durch Fahrlässigkeit.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Notfallsanitäterin überdosiert aus Versehen ein Medikament, was zum Tod des Patienten führt. Obwohl keine Absicht dahintersteckt, hätte die Situation durch Sorgfalt vermieden werden können.
- Erläuterung: Verursachung von körperlichem Schmerz oder gesundheitlichem Schaden bei einer anderen Person.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter fixiert einen Patienten mit übermäßiger Gewalt, wodurch der Patient Prellungen und Blutergüsse erleidet.
§224 StGB – Gefährliche Körperverletzung
- Erläuterung: Körperverletzung unter Einsatz gefährlicher Mittel, z. B. Waffen, Gifte oder unter Ausnutzung einer hilflosen Lage des Opfers.
- Strafmaß: 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Notärztin spritzt einem Patienten ein Medikament, obwohl sie weiß, dass der Patient darauf allergisch reagiert, und gefährdet damit seine Gesundheit schwer.
§229 StGB – Fahrlässige Körperverletzung
- Erläuterung: Verursachung von körperlichen Schäden durch Fahrlässigkeit.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 3 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter lässt bei der Umlagerung eines Patienten die Trage kippen, wodurch der Patient stürzt und sich verletzt.
§239 StGB – Freiheitsberaubung
- Erläuterung: Einschränkung der Bewegungsfreiheit einer Person.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter ignoriert den ausdrücklichen Wunsch eines ansprechbaren Patienten, nicht ins Krankenhaus transportiert zu werden. Er hält ihn gegen seinen Willen im Rettungswagen fest.
- Erläuterung: Wegnahme fremder beweglicher Sachen mit Bereicherungsabsicht.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter nimmt während eines Einsatzes die Geldbörse eines bewusstlosen Patienten an sich und übergibt sie nicht an die Kollegen in der Klinik.
§243 StGB – Besonders schwerer Fall des Diebstahls
- Erläuterung: Diebstahl unter erschwerenden Umständen, z. B. Einbruch oder gewerbsmäßige Absicht.
- Strafmaß: 3 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Rettungssanitäterin durchsucht verschlossene Schubladen in der Wohnung eines Patienten und entwendet Schmuck.
- Erläuterung: Fälschung oder Verfälschung von Urkunden zur Täuschung.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Einsatzbericht wird nachträglich manipuliert, um einen Behandlungsfehler zu vertuschen.
- Erläuterung: Beschädigung oder Zerstörung fremder Sachen.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 2 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter tritt eine Tür ein, hinter der eine hilflose Person gemeldet war.
§315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs
- Erläuterung: Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch grob verkehrswidriges Verhalten.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter fährt bei Rot über eine Kreuzung, ohne auf andere Verkehrsteilnehmer zu achten, und verursacht beinahe einen Unfall.
§323c StGB – Unterlassene Hilfeleistung
- Erläuterung: Nichtleisten von Hilfe in einer Notlage.
- Strafmaß: Geldstrafe bis 1 Jahr Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Eine Notärztin verweigert Erste Hilfe bei einem Unfall, weil sie sich nicht im Dienst befindet, obwohl sie dazu verpflichtet wäre.
Verbrechen im Rettungsdienst
- Erläuterung: Falsche Aussage vor Gericht unter Eid.
- Strafmaß: mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter gibt absichtlich eine falsche Aussage zu einem Einsatz, um seinen Kollegen zu schützen. Er tut dies unter Eid.
§176 StGB – Sexueller Missbrauch von Kindern
- Erläuterung: Sexuelle Handlungen an oder mit Kindern unter 14 Jahren.
- Strafmaß: mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter soll während eines Einsatzes ein verletztes Kind missbraucht haben.
§177 StGB – Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
- Erläuterung: Erzwingen von sexuellen Handlungen gegen den Willen der betroffenen Person.
- Strafmaß: 1 Jahr bis 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notarzt soll eine bewusstseinsgetrübte Patientin während des Transportes zu sexuellen Handlungen gezwungen haben.
- Erläuterung: Tötung eines Menschen ohne Mordmerkmale.
- Strafmaß: mindestens 5 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notarzt tötet einen Patienten vorsätzlich durch eine Überdosis, weil er den Eindruck hat, der Patient könne nicht mehr gerettet werden.
§213 StGB – Minder schwerer Fall des Totschlags
- Erläuterung: Totschlag unter mildernden Umständen, z. B. bei Provokation durch das Opfer.
- Strafmaß: 1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Rettungssanitäter wird von einem aggressiven Patienten angegriffen und tötet ihn im Affekt.
§227 StGB – Körperverletzung mit Todesfolge
- Erläuterung: Körperverletzung, die unbeabsichtigt zum Tod des Opfers führt.
- Strafmaß: mindestens 3 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe.
- Beispiel: Ein Notfallsanitäter verabreicht einem Patienten ein falsches Medikament, was unbeabsichtigt dessen Tod zur Folge hat.
Einschränkungen bei der Absicherung durch Rechtsschutzversicherungen
Zu viele Rettungskräfte haben gar keine Rechtschutzversicherung. Die anderen verlassen sich darauf, dass ihr Vertrag sie im Ernstfall schützt. Doch hier gibt es entscheidende Einschränkungen:
- Vergehen sind machmal abgesichert: Die meisten Rechtsschutzversicherungen leisten beim Vorwurf von Straftaten gar nicht. Wenn ein Strafrechtsbaustein enthalten ist, deckt er in der Regel Vorwürfe von Vergehen wie fahrlässige Körperverletzung oder Beleidigung ab.
- Bei Verbrechen meist kein Versicherungsschutz: Beim Vorwurf eines Verbrechens besteht bei den meisten Versicherern kein Schutz, unabhängig davon, ob du schuldig bist oder nicht. Der bloße Vorwurf reicht aus, um den Versicherungsschutz auszuschließen.
- Spezialisierte Anbieter: Einige wenige Versicherer, mit denen wir eng zusammenarbeiten, bieten Schutz auch bei Verbrechen. Diese Tarife sind für Rettungskräfte besonders sinnvoll.
Gefahr des Verlusts der Berufsurkunde oder Approbation
Neben den strafrechtlichen Konsequenzen steht bei Rettungskräften und Ärzten immer auch die berufliche Existenz auf dem Spiel. Im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung oder auch nur eines schwerwiegenden Verdachts droht der Entzug der Berufsurkunde bei Notfallsanitätern und Rettungsassistenten bzw. der Verlust der Approbation bei Ärzten. Dies kann sowohl durch die zuständige Behörde als auch durch die Landesärztekammer oder andere Aufsichtsstellen eingeleitet werden.
Eine gute Verteidigung muss daher sicherstellen, dass nicht nur strafrechtlich, sondern auch berufsrechtlich schnell und umfassend gehandelt wird. Oft können rechtzeitig eingereichte Stellungnahmen und präventive Maßnahmen verhindern, dass die zuständigen Stellen eine Entscheidung zum Nachteil der betroffenen Person treffen. Hier kommt es darauf an, nicht nur die strafrechtliche Seite im Blick zu behalten, sondern auch die beruflichen Konsequenzen frühzeitig und mit der gleichen Sorgfalt abzuwehren.
Wie kannst du dich schützen?
- Rechtsschutzversicherung: Wähle eine Versicherung, die einen leistungsstarken Strafrechtsbaustein umfasst, der wenn möglich den Vorwurf von Vergehen und Verbrechen umfasst.
- Berufshaftpflichtversicherung: Schützt dich vor zivilrechtlichen Forderungen wie zum Beispiel Schadensersatz oder einem Regress deines Arbeitgebers.
- Dokumentation: Sorgfältige und vollständige Dokumentation schützt dich vor Falschvorwürfen.
- Weiterbildung: Schulungen zu medizinrechtlichen Themen helfen, rechtliche Risiken zu erkennen.
- Anwaltliche Beratung: Bei rechtlichen Fragen hilft ein spezialisierter Anwalt. Wir arbeiten bundesweit mit einigen Top-Experten zusammen.
Fazit
Ob Vergehen oder Verbrechen – rechtliche Vorwürfe können schwerwiegende Konsequenzen haben. Mit der richtigen Absicherung und Vorsorge kannst du dich schützen und deinen Fokus auf das Wesentliche legen: das Retten von Menschenleben. Melde dich bei uns, um sicherzustellen, dass du umfassend abgesichert bist!